Hans Albert
PSYCHOANALYSE · PSYCHOTHERAPIE

Illustration

Psychoanalyse Psychotherapie Arzt Praxis


 

Psychoanalyse hat mit Kunst und Philosophie mehr Berührungspunkte als mit der Medizin, auch wenn Psychoanalytiker in ihrem Erstberuf häufig Ärzte sind. 
In der psychoanalytischen Praxis hat Reden zentrale Bedeutung. Hier „geht nichts anderes vor als ein Austausch von Worten…. Worte waren ursprünglich Zauber, und das Wort hat heute noch viel von seiner Zauberkraft bewahrt. …. Worte rufen Affekte hervor und sind das allgemeine Mittel der Beeinflussung der Menschen untereinander. Wir werden also die Verwendung der Worte in der Psychotherapie nicht geringschätzen und werden zufrieden sein, wenn wir Zuhörer der Worte sein können, die zwischen dem Analytiker und seinem Patienten gewechselt werden.“ (S.Freud 1917).
Im ärztlichen Gespräch wird heutzutage oft gefragt „Was haben Sie?“ (und nicht wie früher „Was fehlt Ihnen?“), als ob Symptom Reichtum bedeute. Für den Arzt sind Krankheitszeichen 'Fakten‘, um über Diagnose und Behandlung zu entscheiden, obwohl doch das jeweils Gesprochene, das Gemachte, also die sog. Fakten, immer auch eine persönliche Verarbeitung wiederspiegelt.
Was im Gegensatz hierzu in der Psychoanalyse zum Tragen kommt, veranschaulicht auf amüsante Art ein französischer Spielfilm*:
Eine Frau geht zielstrebig auf ein Haus zu. Sie trifft auf die mürrische Hausmeisterin. Zum Psychiater? Da müsse sie in den 6.Stock hinauf. Mittels Aufzug dort angekommen, wendet sie sich nach rechts, klopft an der nächsten Tür. Eine ältere Frau öffnet und führt sie ins Büro. Sie muss warten, hört Gesprächsfetzen aus dem Nebenzimmer, überfliegt eine Zeitschrift namens Analyse. Also muss sie hier richtig sein. Den Raum betritt ein sympathisch wirkender Mann, er stellt ihr einige Fragen. Sein genaues Nachfragen bestärkt sie in ihrer Entscheidung gekommen zu sein. Im Zuschauer entsteht der Eindruck Sie fühlt sich in ihren Nöten kompetent verstanden, während am Blick des Mannes Neugierde, aber auch zunehmende Irritation wahrnehmbar werden. Sie vereinbaren einen nächsten Termin. Später, vielleicht nach der dritten Begegnung, bemerkt die Frau, durch einen zufälligen Anruf in der Praxis des 'richtigen‘ Psychiaters, der zugleich Psychoanalytiker ist, dass sie  bei vorherigen Besuchen sich wohl in der Tür geirrt hatte. Sie war nicht beim Psychoanalytiker gelandet, sondern knapp daneben, auf der anderen Seite des Gangs, bei einem Steuerberater. Diese Berufsgruppe zeichnet vergleichbare Fähigkeiten aus - sie muss ebenfalls einfühlsam und diskret mit ihrem Klientel und deren Problemen umgehen. Angesichts dieser Täuschung reagiert sie anfangs verärgert, sie fühlt sich hintergangen und betrogen.
Nun aber die überraschende Wendung. Sie anerkennt, dass in dieser für sie delikaten Situation der Selbst-Offenbarung ihr dieser Fremde ermöglicht hat, immer mehr für sie Wichtiges zu erzählen und aus ihrer Erinnerung hervorzuholen (sich Unangenehmem zu stellen, weshalb sie ja für eine Therapie gekommen ist). Diesen Falschen erklärt sie nun  zu ihrem Richtigen, dem sie weiter-erzählen wird. Wichtig an dieser Film-Geschichte ist - Entscheidend für das In-Gang-Kommen eines analytischen Prozesses ist wesentlich das richtige Hören(können) der Rede das anderen - in der Wirklichkeit der Kassenwelt sind aber fachliche Kompetenz mit entsprechender Ausbildung gefordert.

*Intime Fremde (Frankreich, Confidances trop intimes 2004) von Patrice Leconte mit u.a. Sandrine Bonnaire und Fabrice Luchini
 
 
 
Anruf
Karte